Die Idee
m Sommer 2011 erfüllte ich mir einen alten Kindheitstraum – einmal in die Südsee und zurück. Ganz profan vier Wochen Urlaub genommen und in das Königreich Tonga geflogen. Davon verbrachten wir zehn Tage auf einer einsamen kreisrunden Robinson-Mininsel von rund 200m Durchmesser irgendwo im blauen Nichts. Eben als Robinsons. Mit einer Kiste Nahrung, einer Machete, Angelzeugs und Hängematte. Keine Elektronik (ok, ein Ebook-Reader musste mit), keine Unterhaltung und außer einem Haufen Tiere (Krabben, Fische, eine Seeschlange, zwei Haie mit dem Namen Fritzi und Hugo und unzähligen Vögeln) kein weiteres Leben. Schlafen schaukelnd zwischen Palmen am Strand, Fische fangen mit Netz oder Harpune, Kochen am offenen Feuer und viel lesen. Kein Komfort, keine „Aktion“, keine Highlights. Der Horizont bestand aus dem blauen Nichts des Pazifiks und einem manchmal Rauch aussendenden Vulkan. Wieder zuhause haben wir erfahren, dass just dieser Vulkan 300 Tage lang die einsame Heimat des Schweizers Xavier Rosset war der dort in einem Selbstversuch die Einsamkeit erprobte. Den Rest der Zeit verbrachten wir in einem Resort auf Foa Island, eine der nördlichen Tonga Inseln. „Resort“ wird begrifflich diesem paradiesischen Fleck nicht wirklich gerecht. In der Regel weniger als 20 Gäste gelegen an einem Traumstrand in der Nähe eines typisch tonganischen Dorfes. Hier ist alles authentisch – Gutes wie Schlechtes. Mit Palmblättern gedeckte Touristenhütten sucht man hier vergeblich, ebenso aufregende Action-Abenteuer-Angebote. Tonganer sind auch keine übriggebliebenen Südsee-Insulaner sondern eher nahe an der Schmerzgrenze religiöse Menschen, stark geprägt durch europäischen Kontakt seit James Cook. Der nachfolgende kleine Reisebericht war in leicht veränderter Form als Feedback an den Reiseveranstalter gedacht.
Wozu der Bericht?
Die Wirkung dieser einmonatigen Reise ist auch nach über einem Jahr nicht verblasst. Vielleicht mögen Andere Motivation aus den paar Zeilen ziehen in unserer wirtschaftlich und gesellschaftlich angespannten Zeit. Die Idee die Südsee zu besuchen kam mir ca. 1977 oder 1978 in der Volkschule. Erinnert sich noch jemand an die Schulzeitung „Spatzenpost„? Dort gab es mal ein Gedicht auf der Rückseite:
Ich möcht‘ nach Bora Bora
Ich weiß nicht wo es liegt
Ich glaub fern in der Südsee
Wohin nicht jeder fliegt
Dort baden reiche Leute
Doch leider bin ich arm …
Den Rest hab‘ ich vergessen. Vielleicht auch besser so, wer weiß was da noch stand. Es ist dann nicht Bora Bora geworden, sondern ohne viel Recherche, Tonga. Pauschal. Von der Stange. Allerdings war die Reisebeschreibung dazu etwas ungewöhnlich: Z.B.: Die Welt oder auch GEO Reisen Wir waren offensichtlich die ersten die dieses Angebot wie beschrieben über die volle Zeit in Anspruch genommen haben, ein wenig also Versuchsballon spielend. Deshalb stammen die Fotos aus der Reisewerbung auch von uns beiden.
Reisebericht Tonga – Foa Island & Luahoko Island
Wir haben mehr für uns mitgenommen von diesen vier Wochen, als vorher für möglich gehalten. Nicht aufgrund der vielen Superlativen (die es auf Tonga zugegebenermaßen nicht gibt), sondern schlicht deswegen, weil Tonga so ist wie es eben ist. Vor der Ankunft auf Tonga hatten wir ein paar kleine Befürchtungen: Da wäre zum einen das Wetter, das uns in Auckland mit seiner unfreundlichsten und kältesten Seite entgegen gepeitscht ist.
Hoffentlich würde das auf Tonga ein wenig wärmer werden…
War es auch die meiste Zeit. Ein paar Regen- und Windtage waren dabei. Ein Regenschirm kann unter Umständen auf Tonga nicht schaden. Meist war das Schlechtwetter innerhalb von wenigen Stunden vorbei.
Pünktlichkeit
Eine Befürchtung betraf das Zeitmanagement bezüglich Flugzeiten. Im Internet kommt die tonganische Inlandsfluglinie nicht besonders gut weg. Was würde sein, wenn wir zu spät auf Tonga ankommen würden oder noch schlimmer – bei der Abreise unseren Anschlussflug nach Neuseeland ab Tongatapu verpassen würden? Schließlich umfasste unser Reisepacket nur den Transport auf Tonga selbst. Die gefürchtete Tonga-Airline gibt es in dieser Form nicht mehr und unseren beiden Inlandsflüge nach und von Foa, der Insel mit dem Sandy Beach Resort, verliefen fast auf die Minute genau nach Flugplan. So ganz ohne Probleme war die Reise diesbezüglich dennoch nicht. Nach Ankunft in der Hauptstadt wurden wir am Flughafen von einem lokalen Taxiunternehmen (das offensichtlich eng mit dem Resort auf Foa zusammenarbeitet) in die Unterkunft gebracht. Leider verwechselte die gute Dame Check-In-Zeit für den Weiterflug am nächsten Morgen mit der Abflugzeit und der Uraltflieger DC3 (ein einzigartiges Erlebnis für jeden Flugzeugfan und nur noch auf Tonga erlebbar) startete rechtzeitig bei unserer Ankunft am Flughafen um ihn gerade noch entschwinden zu sehen.
Die nette Dame am Lokalflughafen hat uns sofort das einzig vorhandene Telefon des Flughafens überlassen um die Angelegenheit irgendwie zu regeln. Allerdings, der nächste Inlandsflug war erst für Montag angesetzt – es war samstagmorgens. Das Problem wurde ohne viel Trara gelöst. Wir „residierten“ in bester Lage (Sea View Lodge) bei voller Verpflegung in der Hauptstadt und bekamen von der etwas zerknirschten Taxidame ohne es zu fordern sofort ein Leihauto über das Wochenende zur Verfügung gestellt. Besser konnte es nicht laufen, denn so lernten wir die Hauptinsel Tongas quasi flächendeckend kennen. Inklusive Gottesdienst in der Kirche mit anwesendem König (absolut empfehlenswert zur Einstimmung – die Tonganer singen exzellent).
Es herrscht Linksverkehr. Bei den beiden erlaubten Höchstgeschwindigkeiten von 40km/h und 60km/h kein Problem. Es gibt nur wenige Autos und selbst in der Hauptstadt ist man als Europäer verkehrstechnisch unterfordert. Alles läuft sehr langsam ab, ohne Hektik, ohne Huperei, ohne Stress. Wie auf Tonga generell alles sehr ruhig, langsam und entspannt abläuft. Deswegen ist man wahrscheinlich auch hier… Ein paar Verkehrsregeln sollte man noch kennen:
Keine Schweine überfahren (Hunde wären kein Problem erklärte man uns…) und wenn der König mit Gefolge sich nähert, links von der Straße weg und stehenbleiben.
Der König ist uns begegnet, wir sind artig links rangefahren und ein Schwein (die gibt es in großer Zahl auf der Straße) haben wir, soweit wir wissen, keines überrollt.
30 Meter von der Unterkunft in Nuku Alofa (Tongatapu) entfernt
Tonga: Ist es wirklich so schlimm?
Gibt man im Internet „Nuku Alofa“, also die Hauptstadt als Suchbegriff bei der Bildersuche in Google ein (haben wir gemacht, allerdings erst nach Buchung der Reise), ist man ein wenig schockiert. Brennende Gebäude des Aufstandes von 2006 und nicht gerade südseetypische ziemlich desolat wirkende Bauten. Nun, Südseebauten (oder so wie sich ein Europäer das so vorstellt mit Blätterdach) gibt es auf ganz Tonga offensichtlich nicht. Negativ betrachtet kann man sowohl in Nuku Alofa als auch in den kleinen Dörfern das Gefühl haben, sich in einer südamerikanischen Favela-Siedlung aufzuhalten.
Das Gefühl legt sich aber und man lernt die Ruhe, Langsamkeit und die zurückhaltend-freundlichen Leute zu schätzen. Das kann schon ein paar Tage dauern. Brennen tut die Hauptstadt nicht mehr, und wenn man es nicht weiß, ist von den Zerstörungen nichts mehr zu erkennen. Wieder zurückgekehrt, gehen sie uns ab, die Menschen und ihre meist einfachen Häuser. Wir haben auch im Nachbardorf des Resorts eine Nacht bei einer einheimischen Familie übernachtet. Wir wurden vorgewarnt ob der einfachen Verhältnisse und der nicht sonderlich ausgeprägten Sauberkeit. Stimmt, können wir bestätigen. Wir haben aber viel mit den Leuten gesprochen und Eindrücke mitgenommen. Soziales Zusammensein und Kommunikation war dort sehr wichtig. Selbst introvertierte Europäer werden sich in ein Gespräch verwickelt wiederfinden. Und am ersten Abend im Resort wurden wir, die anwesenden Besucher, vom „Nobleman“ der Gegend, demjenigen Einheimischen der als Adeliger (Tonga ist eine Erbmonarchie) die Region besitzt, zu einem Kava-Besäufnis eingeladen. Einer traditionellen, ein wenig steif auf uns wirkenden Zusammenkunft männlicher Dorfbewohner, die im allgemeinen sitzend über Stunden Kava trinkend (dem traditionellen Rauschgetränk) und singend sehr häufig absolviert wird. Das war dann mehr als authentisch.
Empfehlung: Nicht alleine sich durch Google abschrecken lassen. Die Menschen sind zurückhaltend und freundlich. Grüße sie mit einem Lachen und sie lachen über das ganze Gesicht breit zurück. Nicht jeder, aber die Meisten. Die Kleiderordnung beachten (z.B. nicht mit kurzer Hose in die Kirche)!
Der Aufenthalt auf der Robinson-Insel
Befürchtung: Aufenthalt auf der Robinson-Insel. Werden ganze zehn Tage Robinson-Insel nicht doch etwas zu lange sein?
Nicht nur die Aufenthaltsdauer auf der einsamen, kreisrunden 200-Meter-Durchmesser-Insel, führte zu manchem fragenden Blick von Touristen (die es auf Tonga nur wenige gibt) und Einheimischen. Was macht man sooo lange auf einer Miniinsel? Was macht man 4 Wochen auf Tonga? Fast immer am selben Ort? Auch Boris im Resort bestätigte uns auf Nachfrage, dass es eher ungewöhnlich ist, dass seine Gäste so lange am Stück bleiben. Üblich sind offensichtlich 1 bis maximal 2 Wochen im Resort.
„Nein“ ist unsere Antwort rückblickend! Zumindest für uns begann Tonga, dessen ungewohnte Ruhe und der dortige Lebensstil, erst nach zwei Wochen langsam so richtig zu wirken. Und wir hätten gerne noch zwei weitere Wochen nachlegen können.
Voraussetzung dafür war für uns ein wenig Vorbereitung:
Für den gesamten Aufenthalt genügend Literatur mitnehmen war oberstes Gebot. Dazu noch eine eigene Hängematte mit integriertem Moskitonetz und Schlafsack für die Insel. Und lang leuchtende Stirnlampen. Wozu das alles? Sowohl auf der Robinson-Insel als auch im Resort wurde sofort die eigene Hängematte am Strand zwischen den genügend vorhandenen Bäumen oder Palmen montiert. Zeiten in denen man gerade keine Lust auf eine Runde Schnorcheln im klaren fisch- und korallenreichen Wasser hat, kann man, und das taten wir auch, mit Lesen in der Hängematte verbringen. Jederzeit würde ich wieder für ein paar Stunden lesend in die Hängematte zurück an den Strand, mit dem beruhigenden Rauschen der Wellen als akustischem Hintergrund. Keine zehn Meter von den Wellen des Ufers entfernt – und bis dorthin nur weißer Korallensand.
Ein Strand, von dem man es im Resort von seiner Unterkunft aus nur einige wenige Meter hat. Überfüllung herrscht am Ufer dort mit 0 bis 10 weiteren Miturlaubern mit Sicherheit nicht. Wozu die Stirnlampe? Nun, es wird gegen 6h dunkel bzw. hell. Lesen ist auch während der finsteren Stunden in der Hängematte, nun eben mit Stirnlampe, nicht nur möglich sondern war für uns schon fast Pflichtprogramm.
Sowohl auf Luahoko (die Robinson-Insel), als auch auf Foa Island (rund 13 km Luftlinie weit weg) im Sandy Beach Resort sind es nur wenige Meter vom Strand bis zu den ersten bunten Korallenriffen. Ein Paradies zum Schnorcheln. Wobei wider Erwarten die Riffe vor dem Resort ergiebiger waren als um Luahoko. Luahoko Island ist zwar von einem breiten Riffgürtel umgeben – die Korallen sind aber abschnittweise (durch Taifun?) in einem angeschlagenen Zustand. Für eine Woche Schnorcheln reicht das aber allemal. Dafür glänzt Luahoko durch Fischreichtum mehr noch als die Region um Sandy Beach. Die Ausrüstung für die 10 Tage Robinson-Insel wurde gemeinsam mit Jürgen, dem „Vater“ der Robinson-Idee zusammengestellt. Neben Öllampen, Luftmatratze, Moskitonetz, Buschmesser, nützlichem Kleinkram war die Verpflegung ein wesentlicher Teil der Last den das kleine Motorboot zu schleppen hatte. Zusätzlich zu den üblichen „koch dir das selbst“-Nahrungsmitteln wie Haltbarmilch, Kaffee, Zucker, Nudeln, Fertigsuppen und Fleischkonserven waren noch an Bord Zwiebeln, eine große Menge an Süßkartoffeln und Maniok-Knollen sowie ein paar Säcke mit grünen Kokosnüssen, die mit der Machete geöffnet werden und gegen den Durst gedacht sind.
Kochfertigkeiten muss man selbst mitbringen. Ansonsten kann es ein wenig einseitig werden mit der Nahrung auf der Insel. Gekocht wird am Feuer, für dessen Unterhalt und Platz man selbst sorgen muss. Maniok und Kartoffeln werden geschält und gekocht. Das hat man uns so erklärt. Wie lange wollen denn die Knollen gekocht werden, war unsere Frage. Eine Stunde? – Jo, war die Antwort der Einheimischen. Eine halbe Stunde? – Jo, war die Antwort. Ach ja, man befindet sich tendenziell eher in einer asiatischen Gegend. Dort ist es wichtig, Antworten so zu geben, dass der Gegenüber zufrieden ist. Wie hoch der Informationsgehalt ist, ist dabei oft nicht ganz so wichtig. Beim Kochen kann man aber wenig falsch machen. Nudeln zuzubereiten wird man als Europäer schon noch können.
Die beiden Tonganer die uns zur Insel gebracht und auch wieder abgeholt haben betrachteten es als üblich erst mal ein paar Fische zu fangen und mit Maniok gemeinsam mit uns zu verspeisen. Das Zubereiten der Fische (vom lebenden Objekt bis hin zum essfertigen Zustand) haben wir beim ersten Mal nachdrücklich den beiden überlassen. Am Ende konnten wir, nun Inselerprobten, ihnen diese Arbeit bereits abnehmen.
Vor der Überfahrt zur Robinson-Insel hat uns Jürgen eine Angel und eine Harpune in die Hand gedrückt. „Zum Fischen“, sagte er uns, die wir ein wenig erstaunt waren. Aus dem Reiseprospekt ging nicht wirklich hervor, was eigentlich mit „Robinson-Aufenthalt“ im Konkreten gemeint ist. Einsame Insel ist klar. Aber ob man vor Ort WC, Holzfeuerherd und einfache Dusche vorfinden wird oder nicht, war bis zuletzt unbekannt. Uns beiden hat diese Unsicherheit wenig ausgemacht. Vermutlich denken da andere Menschen nicht gleich darüber. „Fischen? Was? Welche Fische?“ „Alles essbar„, die Antwort. „Nur keine Rotfeuerfische und Steinfische“ (die wir nie zu Gesicht bekommen haben).
Das ist man gar nicht gewohnt. Kein Permit für Harpune und keine Fischlizenz. Fisch gab es dann fast jeden Tag. Schwarze Fische, bunte Fische, große und kleine. Einfach mit der Harpune während der ausgiebigen Schnorchelgänge erlegt. Und eine Harpune habe ich noch nie vorher in der Hand gehabt. Die Tage auf der Insel verbringt man mit Lesen, Schnorcheln (bis zu vier Stunden am Tag), Fischen, Kochen und wenn es Freude macht, mit der Verbesserung der Wohnumgebung. Wir haben z.B. eine kleine zusätzliche Sicht/Windschutzwand aus verflochtenen Kokosblättern an der Hütte aufgestellt, die übrigens in idyllischer Lage wenige Meter vom Strand entfernt unter dem Blätterdach liegt.
Am Ende der sind wir zu folgender Erkenntnis gelangt: Wir möchten diese Zeit nicht missen! Morgens aufzuwachen in der Hängematte und Buckelwalen die einige hundert Meter entfernt ihre Flossen in den Himmel recken zuzusehen ist schon ein wenig surreal (im positivsten Sinn) für Europäer. Kaffee machen am Feuer oder noch ein wenig schaukelnd lesen am Morgen ist die Frage die sich stellt. Ein „Wie spät ist es?“ ist ziemlich nebensächlich… Für uns beide waren die zehn Tage auf Luahoko ausreichend. Wir sehnten uns am Ende nun doch den Luxus eines Resorts herbei. Die Tage auf der Insel verbringt man erstaunlich schnell, da der zeitliche Aufwand für die Nahrungsbeschaffung (wenn man will) und Zubereitung (um die man nicht herumkommt) ein paar Stunden pro Tag in Anspruch nimmt.
Unsere Nachfolger auf der Insel (junges Paar aus Österreich) die nur 3 oder 4 Tage die Robinson-Insel besuchen wollten hatten eine völlig andere Vorstellung was sie erwartet. Das Mädchen fragte uns, wie die Toiletten aussehen, Dusche und der Herd. Alles nicht vorhanden. Und das ist gut so, unserer Meinung nach. Von der Fischerei mit Harpune war der männliche Teil ebenso freudig überrascht wie ich. Sie wiederum hatte mehr eine einsame Insel mit kleiner Hütte aber allem Komfort als Bild im Kopf. Hätte sie von uns erfahren, dass wir dort im Wasser Haien begegnet sind (einer davon, ein Grauhai, durchaus beachtlich groß), hätte sie wahrscheinlich noch vor Ort die Überfahrt verweigert. Wenig überraschend waren sie beim nächstmöglichen Termin nach zwei Tagen wieder im Resort zurück.
Zurück in die Sicherheit des Resorts
Befürchtung: Wird es nicht langweilig, über zwei Wochen am Stück an einem einzigen Platz, einem Resort auf Foa Island, zu verbringen?
Unsere Antwort lautet „Nein“!
Obwohl wir beide zu den jüngeren aktiven Menschen zuzurechnen sind ist das Wesentliche, das man mit einem Aufenthalt auf Tonga erlebt und auch noch wochenlang zuhause als Nachwirkung verspürt die Ruhe. Ein Verlangsamen des doch recht beschleunigten Lebens in Europa. Und das, das Verlangsamen, funktioniert nicht bei zu kurzem Aufenthalt oder ständigem Ortswechsel (Inselhüpfen), soviel Berechtigung diese Art Erlebnis auch hat.
Die Leute im Sandy Beach Resort sind herzlich und nett. Reisebeschreibungen die man im Internet findet die von unterkühlter Atmosphäre und deutschem Drill berichten (ein paar Jahre alt, aber das Netz vergisst wenig) konnten wir nirgendwo auch nur erahnen. Vielleicht war das in der Vergangenheit mal so gewesen. Boris aus den Resort kümmert sich ständig persönlich um das Wohlergehen und fragt glaubwürdig nach, ob alles in Ordnung ist. Eine kleine Marotte (positiv gemeint) ist das Prozedere am Abendtisch. Teils wird man aktiv einem bestimmten Tisch zugeteilt. Das geschieht meiner Meinung nach aus dem Antrieb heraus, die Gäste mal aktiv zum Gespräch untereinander zu veranlassen. Bequemer wäre es sicher für ihn, hier einfach nichts zu tun. Die Beschreibung auf der Webseite, dass eine Tauchschule in unmittelbarer Nähe zum Resort sich befindet ist derzeit falsch. Es gibt zwar vor Ort ein Whale-Watching-Unternehmen aber keine Tauchbasis. Das sollte sich laut Boris hoffentlich wieder ändern. Ein großes Problem stellt dies aber dennoch nicht dar. Ein Wale-Watching-Unternehmen inkl. Tauchbasis gibt es rund 10 km entfernt und wurde von anderen Gästen ausgiebig genutzt.
Mit Fahrrädern erkundeten wir die südlich gelegenen langezogenen Inseln. Großartige Highlights darf man sich dabei aber nicht erwarten. Im Lonely Planet wird die allwöchentliche Ankunft der Fähre als das große Ereignis beschrieben. Daran kann man seinen eigenen Erwartungsmaßstab nun eichen. Mit dem Paddelboot auf die nördlich gelegene unbewohnte Insel zu rudern ist ein absolutes Muss. Traumhafte Strände und gleißend türkises Wasser laden ein.
Werden wir Wale sehen?
Ein Nebeneffekt der Destination Tonga, so hofften wir, könnte die Sichtung eines Wales sein. Die es dort laut Internet ja geben soll. Würden wir welche zu Gesicht bekommen?
„Ja“, lautet die Antwort. Man bekommt sie zu Gesicht. Und wie.
Abgesehen davon, dass Wale teils, wenn man Glück hat sogar vom Ufer aus (Sandy Beach; auf Luahoko sind Wale fast jeden Tag sichtbar gewesen) zu beobachten sind, gibt es vor Ort zwei Whale-Watching-Unternehmen. Eines direkt am Resort, ein zweites („Fins ‘N‘ Flukes“) das auch als Tauchbasis agiert 10 km entfernt. Dieses (wir buchten gleich zwei mal einen Tag auf See mit dem kleinen Unternehmen) ist sehr auf Umwelt und Nachhaltigkeit bedacht. Nicht mal eine Orangenschale soll während eines solchen Ausfluges mit dem Holzboot in das offene Meer geworfen werden, das Boot fährt mit Biotreibstoff. Fast täglich hat man die Möglichkeit rund 6 bis 7 Stunden am Tag mit dem Schiff sich mit maximal 10 anderen Gästen auf die Suche nach Buckelwalen zu machen, die ab Juli vor Tonga anzutreffen sind. Selten sieht man bei solch einem Ausflug keinen Wal, häufig hat man sogar die Möglichkeit, wenn es die Tiere zulassen, sich ihnen mit Brille und Flossen im Wasser bis auf wenige Meter zu nähern. Das klare Wasser gibt den Blick frei auf die riesigen Körper dieser Tiere. Und manch einer hat sich ja angeblich schon verzaubern lassen, wenn einem solch ein Wesen direkt ins Auge blickt. Sagt man…
Es gibt nur wenige Regionen auf der Welt wo es erlaubt und möglich ist, mit den Tieren schwimmen zu gehen. Man muss nicht Esoteriker sein, um sich verzaubern zu lassen von diesen Riesen. In Eigenregie schwimmen mit ihnen wird man wohl eher nicht können. Aus der Hängematte beobachten von der Robinson-Insel aus am frühen Morgen (und natürlich den ganzen Tag lang) sehr wohl.
Ein würdiger Abschluss am letzten Tag
Der letzte Tag, ein Sonntag, vor der Abreise war dem Kirchbesuch im Nachbardorf (rund 350 Einwohner die sich natürlich alle kennen) gewidmet.
Die schönen Gesänge der Tongaer sollte man sich tatsächlich nicht entgehen lassen. Eine der 6(!) Kirchen im Ort lädt dazu sicher ein.
Ein guter Teil der Gäste ist heute dort. Ich für meinen Teil bin jedoch im Resort verblieben um den Urlaub gemütlich ausklingen zu lassen und um zu Packen. Es ist ruhig, einzig die beiden Nachbarn lassen sich am Strand blicken. Die nette Neuseeländerin von der Nachbarunterkunft kommt aufgeregt zu mir und zeigt mir den großen Buckelwal mit seinem kleinen Baby, der sich nur einige hundert Meter vom Ufer, direkt vor dem Sandy Beach Resort knapp außerhalb der Riffe spielt. Mit dem Fernglas war das besonders eindrucksvoll. Immer wieder kam das Kleine aus dem Wasser gepurzelt – es lernte wohl gerade von seiner Mama wie man springt. Walmütter zeigen dem Nachwuchs, so erklärte man uns, diese Dinge, ebenso wie das Luftanhalten und Tauchen erst aktiv den Babys.
Die beiden sind so nah am Ufer, dass man schon fast sich vorstellen kann, dorthin zu schwimmen. Warum eigentlich nicht? Nein, zu weit draußen, bis zu den kleinen Brecherwellen am äußeren Riff. Und überhaupt, das geht ja nicht.
Nach rund zwei Stunden Zusehen mit dem Fernglas doch eine Entscheidung: Flossen und Schnorchel wieder ausgepackt (der Neoprenanzug bleibt, da bereits trocken, wo er ist) und eines der kleinen Plastikkajaks des Resorts ausgeborgt. Los geht es! Niemand ist offensichtlich zurzeit im Wasser, kaum jemand zu sehen. Wo war der Wal nochmal? Ah, dort draußen sieht man den Blas. Gemütlich in seine Richtung gegen die kleinen Wellen angepaddelt. Nach ein paar hundert Metern haltgemacht. Ist der Wal noch da? Ja, weiter. Er hat kaum seinen Platz verändert. So ganz alleine mit einem Miniplastikboot sich einem ausgewachsenem Buckelwal zu nähern ist schon ein sonderbares Gefühl. Kann man das? Darf man das?
Das Resort ist schon zu weit weg um noch irgendwelche Menschen dort zu sehen. Vielleicht aber auch, weil der Strand einfach nur menschenleer ist. Es ist ja zudem Sonntag – und Sonntag ist hier weniger als nichts los.
Weiter voran, langsam. Keine Aufregung verursachen. Erstens ist man ja auf Tonga. Hier läuft eben alles ein wenig langsamer. Und zweitens war das auch eine wichtige Regel beim Whale-Watching mit „Fins ‘N‘ Flukes“. Noch vielleicht 50 Meter. Der Wal liegt an der Wasseroberfläche. Noch 30 Meter. Taucherbrille aufsetzen. Was haben wir gelernt? Rein ins Wasser, schön ruhig, kein Platschen mit den Flossen. Das Kajak mit der linken Hand hinterhergezogen, den Kopf unter Wasser. Und tatsächlich hebt sich kurz später ein mächtiger Körper vom dunklen Blau des klaren Wasser ab. Ich halte still. Er kommt langsam auf mich zu, dreht einige Meter von mir entfernt nach rechts ab, beäugt mich offensichtlich. Ich bilde mir ein, Seepocken um seine Augenpartie zu erkennen.
Das Wasser unter mir ist schon recht unergründlich tief, denke ich, und sehe mich nach leicht links unten um in Richtung Dunkelblau. Und da ist noch Etwas. Ein riesiger kreisrunder Schatten bewegt sich von schräg unten auf mich zu. Direkt. Erst Augenblicke später begreife ich, was das ist. Das vorhin war nur das Baby. Jetzt kommt die dicke Mama. Ist sie besorgt? Ich befinde mich irgendwo zwischen Ihr und dem Jungen. Der Schatten ist zu einem unglaublich großen Buckelwal geworden der langsam auf mich zusteuert und nun noch vielleicht zehn Meter entfernt ist. Ich weiche etwas nach links aus um zu zeigen, dass ich keine Konfrontation will. So bilde ich mir halt ein, dass dies gut wäre. Große weiße Ringe am Körper sind genau auszumachen (Seepocken), die Furchen der hellen Unterseite. Die Mama gleitet wenige Meter entfernt an mir entlang, guckt mich mit dem recht klein wirkenden Auge nochmals an und taucht in Zeitlupe langsam vorbei, vor mir ab. Das Baby gesellt sich wieder zu ihr und schwimmt knapp über der Mama, gleichsam auf ihrem Rücken, mit ihr in die Tiefe ins Schwarzblau.
Copyright: http://finsnflukes.blogspot.com/
Leicht benommen hebe ich den Kopf aus dem Wasser und sehe ein weiteres Plastik-Boot in einiger Entfernung. Brigitte ist inzwischen offensichtlich ebenfalls mit einem der Kajaks rausgefahren und versucht auf Tuchfühlung zu gehen. Und auch zwei Schwimmer nähern sich der Stelle, wo die Tiere abgetaucht sind. So weit vom Ufer entfernt!
Zu zweit versuchen wir nochmals Mutter und Baby ausfindig zu machen, was auch gelingt. Brigitte kann ebenfalls einen Blick unter Wasser auf die beiden werfen. Ob es den beiden Schwimmern auch gelingt weiß ich nicht. Wir wollen die Tiere nicht bedrängen und drehen ab um den beiden einsamen Schwimmern einen Blick auf die Riesen zu ermöglichen.
Wieder zurück am Ufer, noch ein wenig entrückt, werden wir empfangen. Aufregung dort. Ob wir draußen waren, ob wir den Wal aus der Nähe gesehen haben, werden wir gefragt. Das minikleine Boot so direkt beim riesigen Walkörper. Vom Ufer aus muss die Begegnung ob der Größenunterschiede wohl ziemlich beeindruckend ausgesehen haben. Ob wir zwei Schwimmer gesehen haben. Ja, haben wir. Die beiden Schwimmer die sich so weit vom Ufer entfernt haben sind neue Gäste im Resort. Ein querschnittgelähmter Neuseeländer und seine Frau. Sie kommen seit ein paar Jahren ins Sandy Beach erzählt man uns. Kurz nach dem Unfall, der zur Lähmung führte, nahm der Mann sich vor, einmal im Leben trotz oder gerade wegen seiner Behinderung mit Walen zu schwimmen. Beide kommen geraume Zeit später ans Ufer und sind hellauf begeistert und rufen den paar Leuten am Strand das Erlebte zu. Nein, sie hätten die Buckelwale verpasst. Sie waren knapp dran. Nächstes Jahr vielleicht. Oder heuer noch, sie sind ja erst hier angekommen auf Tonga. Ich weiß nicht ob ich ihnen wünschen soll, dass sie es schaffen oder hoffen soll, dass sie es nie schaffen werden. Ein in Erfüllung gegangener Traum kann wehtun… Sollen die beiden, die ausgesprochen glücklich wirkten, im Jahr darauf wieder hierher müssen. Es ist ja auch (fast) ein Paradies dort.
Nachtrag Jänner 2014
Ein Zyklon, nein nicht irgendeiner sondern wohl der stärkste seit vielen Jahrzehnten, ist über das Paradies hinweggefegt und hat die Ha’apai-Inseln mehr oder weniger vernichtet. Rund 70% der Häuser sind zerstört, in manchen Orten mehr. Unseren kleinen 300-Einwohner-Ort hat es besonders hart getroffen. Boris von Sandy Beach ist ein Kämpfer, er baut sein Resort wieder auf. Erfährt man in einem Interview eines neuseeländischen Senders.
Die beiden Leute von Fins ’n‘ FLukes (Brian und Sabine) hat es hart getroffen. Ob sie die Basis wieder aufbauen werden scheint derzeit (Jänner 2014) wohl fraglich. So eng beisammen sind wohl die Höhen und Tiefen im Leben.
Danke den Beiden dafür, dass sie anderen gezeigt haben wie man einen Traum versuchen kann zu leben.